Langnaus «Abenteuer 2. Liga»: 126 Tage zwischen dem «Sommermärchen von Wabern» und dem «Debakel von Kirchberg»
8. Juni 2019: Der FC Langnau gewinnt das Barrage-Rückspiel auswärts in Wabern mit 2:1 und steigt in die 2. Liga regional auf..
12. Oktober 2019: Der FC Langnau verliert in Kirchberg mit 11:0 und zieht eine der höchsten Pleiten der Vereinsgeschichte ein.
126 Tage oder ziemlich genau vier Monate liegen zwischen diesen beiden denkwürdigen Ereignissen. Ein äusserst intensives Fussballjahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Zeit, auf die vergangenen Monate zurückzublicken.
Die Spiele im Schnelldurchlauf
Mit einer schallenden Ohrfeige starteten die Oberemmentaler in das Abenteuer 2. Liga. In Biel setzte es zum Meisterschaftsauftakt eine 5:0-Niederlage ab. Gegen ein spielerisch und physisch äusserst starkes Azzurri Bienne war man in allen Belangen unterlegen. Die Aufstiegseuphorie wurde abrupt beendet. Und so manch einer fragte sich, ob die 2. Liga nicht doch eine Nummer zu gross sei...
Umso überraschender, dass den Langnauern gleich im ersten Heimspiel eine Reaktion gelingen sollte. Der langjährige 2. Ligist Aarberg konnte mit einer kämpferisch herausragenden Leistung mit 2:1 bezwungen werden. Ein zweifellos glücklicher Sieg, der aber das Selbstvertrauen im Langnauer Lager sichtlich stärkte.
Denn schon eine Woche später zeigte die Flückiger-Elf im Auswärtsspiel in Nidau die wohl stärkste erste Halbzeit der ganzen Vorrunde. Beflügelt vom Heimsieg über den FC Aarberg führten die Langnauer zur Pause gleich mit 3:0 (!). Nach dem Seitenwechsel sollte der FCL für sein horrendes Tempo aber Tribut zahlen. Es resultierte letztlich ein 3:3-Unentschieden, was angesichts des Spielverlaufs in Ordnung ging.
Es folgte das über 90 Minuten wohl beste Spiel der Oberemmentaler. Der damalige Leader Boncourt wurde weitgehend dominiert, die Langnauer zeigten attraktiven Offensivfussball, scheiterten aber mal für mal am gegnerischen Keeper oder am eigenen Unvermögen. Klingt eigentlich alles gar nicht so schlecht. Dumm nur, dass die Jurassier mit dem einzigen Treffer des Tages die drei Punkte aus dem Moos entführen konnten.
Vier Punkte aus den ersten vier Spielen, die Langnauer Fussballwelt war zu diesem Zeitpunkt in Ordnung. Nun folgten jedoch drei Partien gegen Gegner, die in Reichweite der Langnauer liegen sollten und gegen die dringend gepunktet werden musste.
Der Auftakt machte die erste lange Auswärtsfahrt in den Jura zum FC Courroux. Gegen das Tabellenschlusslicht strebten die Langnauer einen Auswärtssieg an. Es resultierte aber «nur» ein 2:2-Unentschieden, wobei die Langnauer nach katastrophalen ersten 45 Minuten inkl. Platzverweis, verschossenem Penalty und einem 0:1-Rückstand erst in numerischer Unterzahl zu ihrem Spiel zurückfanden und bis kurz vor Schluss gar 2:1 geführt hatten. So richtig zufrieden konnte aber aufgrund der ersten Halbzeit niemand sein. Nicht zum ersten Mal wurde zudem die Langnauer Abschlussschwäche offensichtlich.
Sieben Tage später folgte gleich das nächste wichtige Auswärtsspiel gegen das punktgleiche Lyss. In einer insgesamt höhepunktarmen Partie schafften es weder die Gastgeber noch die Langnauer, das Leder im Kasten unterzubringen. Logisches Resultat: 0:0-Remis.
Nach zwei Punkteteilungen in Folge sollte das kapitale Spiel gegen den FC Breitenrain endlich den nächsten Vollerfolg bringen. Ausgerechnet in dieser Partie sollten die Langnauer einen äusserst schwachen Nachmittag einziehen und eine schmerzhafte 2:3-Heimpleite einfahren. Eine Niederlage, die Folgen haben sollte.
Denn eine Woche später spielte sich in Kirchbergs Raiffeisen-Arena denkwürdiges ab. 11:0 (!) lautete das Schlussverdikt. Der FCK nahm die Langnauer Mannschaft an diesem Samstag, 12. Oktober 2019 nach allen Regeln der Fussballkunst auseinander. Auch mehr als zwei Monate später ringen die Beteiligten nach Worten, dieses Debakel zu erklären. 126 Tage waren seit der Aufstiegsfeier und dieser historischen Pleite vergangen. Ein weiterer Beweis dafür, wie nahe Triumpf und Debakel im Sport beieinander liegen.
Dass eine 11:0-Niederlage nicht spurlos an einem vorbei geht, erklärt sich von selbst. Im folgenden Heimspiel setzte es gegen den Leader aus Courtételle eine weitere Pleite ab. 1:3 unterlagen die Oberemmentalern den Jurassiern. Es spricht für die Moral der Mannschaft, dass sie sich bereits sieben Tage nach der Kirchberg-Klatsche stark verbessert präsentierte und dem Tabellenführer über weite Strecken der Partie Paroli bieten konnte (verschossener Elfmeter im Stande von 1:2) und am Ende eher unglücklich als Verlierer vom Platz gehen musste.
Der Oktober neigte sich schon dem Ende zu, als das letzte Gastspiel des Fussballjahres 2019 anstand. Eine weitere lange Anreise zum FC Develier stand auf dem Programm. Einmal mehr trauerte man im Langnauer Lager nach 90 Minuten den verpassten Chancen nach. Ein herrliches Freistosstor sicherte dem FCD die drei Punkte und sorgte für hängende Langnauer Köpfe. Die Leistung stimmte jedoch zuversichtlich, dass im abschliessenden Spiel gegen Besa Biel nochmals Punkte eingefahren werden können.
Und so sollte es auch kommen: Einem technisch und spielerisch sehr starken Gegner konnte immerhin ein 1:1-Unentschieden abgerungen werden. Doch: Gemessen an den Torchancen war dieser eine Punkt eigentlich zu wenig.
Die nackten Zahlen
Mit 7 Punkten (1 Sieg, 4 Unentschieden, 6 Niederlagen) nach 11 Spielen überwintert der FC Langnau auf einem Abstiegsplatz in der Gruppe 2 der 2. Liga regional. Das Torverhältnis fällt mit 11:31 negativ aus. 16 Strafpunkte bedeuten Rang zwei hinter dem FC Breitenrain (15).
Der Versuch einer Einordnung
Wie ist die Vorrunde 19/20 einzuordnen? Blendet man die beiden deutlichen Niederlagen gegen Azzurri Bienne und Kirchberg aus, so konnten die Oberemmentaler in jedem Spiel mit dem Gegner mithalten. Die Pleiten gegen die Spitzenteams aus dem Jura Boncourt (0:1), Develier (0:1) wie auch Courtételle (1:3) sind der Kategorie «unglücklich» zuzuordnen. Als schmerzhaft sind die Punktverluste gegen Nidau (3:3) und Besa Biel (1:1) zu bewerten. In diesen Partien wäre ein Sieg durchaus möglich gewesen. An die eigene Nase fassen muss sich das Team von Reto Flückiger rückblickend vor allem in den Spielen gegen Courroux (2:2) und Breitenrain (2:3), wo die eigene Leistung ganz einfach nicht gestimmt hatte. Der Sieg gegen Aarberg (1:0) kam sicherlich eher glücklich zustande, das Unentschieden in Lyss (0:0) ebenfalls.
Mögliche Gründe
Insgesamt ist die Vorrunde 19/20 als durchzogen einzuordnen. Nach einem vielversprechenden Start (Sieg bereits im 2. Spiel) gelang es dem FCL in der Folge nicht mehr, einen weiteren Vollerfolg zu landen. Diese mangelhafte Punkteausbeute widerspiegelt sich letztlich in der Abschlusstabelle der Vorrunde wieder. Die Ursachensuche gestaltet sich wie so oft als schwierig. Nach zwei Saisons voller Jubel, Trubel und Heiterkeit (Saison 17/18: Gruppensieg 3. Liga + Gewinn Berner Cup, Saison 18/19: Gruppensieg 3. Liga + Aufstieg 2. Liga regional) bedeutete der Aufstieg den vorläufigen Höhepunkt in der Fussballkarriere vieler Spieler. Allen Beteiligten war bewusst, dass es in diesem Stil nicht weitergehen wird und sich das Team erstmal an das höhere Tempo gewöhnen muss. Der Niveauunterschied zur 3. Liga ist doch beachtlich. Gerade im physischen Bereich war der FCL vielen Gegnern unterlegen. Die Gegenspieler sind grösser, schneller und zweikampfstärker als in den vergangenen 3. Liga-Jahren. Die Gegner sind generell gut organisiert und nutzen Fehler gnadenlos aus.
Rückblickend muss aber auch festgehalten werden, dass ausgerechnet auf diese Saison punkto Einstellung nicht mehr alles ganz so rosig war, wie in den vergangenen beiden Jahren. Tendenziell hatte das Trainerduo Flückiger/Kurnacza mit zahlreicheren (Ferien-) Abwesenheiten zu kämpfen als in den beiden Saisons zuvor. Hinzu kamen einige verletzte Akteure. Was dies für Auswirkungen hat, zeigt sich exemplarisch an der Aufstellung der Viererkette. Nur gerade ein einziges Mal (!) agierte der FCL in zwei aufeinanderfolgenden Spielen mit der identischen Viererkette. In insgesamt 11 Spielen starteten die Langnauer in nicht weniger als 9 (!) verschiedenen Verteidigungsformationen. Florian Peverelli stand als einziger Feldspieler in sämtlichen Spielen über die volle Distanz auf dem Platz.
Aber Achtung: Die Gründe am schwachen Abschneiden nach der Vorrunde primär an der Defensive festzumachen, würde zu kurz greifen. Zieht man die 16 Gegentore aus den zwei Spielen gegen Azzurri Biel und Kirchberg ab, so ergäbe dies ein Verhältnis von 11:15, was eine deutlich andere Sprache sprechen würde.
In der Offensive agierte man häufig zu wenig durchschlagskräftig. Ein erzieltes Tor pro Spiel ist ein durchzogenes Zeugnis. Gleich in mehreren Partien scheiterte der FCL primär an der eigenen Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor. Ein Goalgetter hat sich nach der Vorrunde 19/20 noch nicht herauskristallisiert.
Ausblick
Traditionell fragt man sich zum Jahresende, wohin die Reise im neuen Jahr wohl gehen wird. Konnte der Autor in den vergangenen beiden Jahren jeweils auf eine erfolgreiche Vorrunde zurückblicken und mit Floskeln wie «die Leistungen bestätigen», «am Boden bleiben», «demütig sein» oder «noch ist nichts gewonnen» um sich werfen, ist dies zum Jahreswechsel 19/20 etwas anders. Die 1. Mannschaft steht vor einer Herkules-Aufgabe. Man überwintert auf einem direkten Abstiegsplatz und braucht eine sensationelle Rückrunde, damit man den Ligaerhalt doch noch schaffen kann. In der Offensive gilt es die Lücke, die der langjährige Leistungsträger Simon Reber nach seinem Rücktritt hinterlässt, zu füllen. Weiter ist ein verlässlicher Skorer dringend gesucht. In der Defensive gilt es die individuellen Fehler auf ein Minimum zu reduzieren und als Mannschaft generell solidarischer zu verteidigen. Doch wer die Langnauer frühzeitig abschreibt, sei gewarnt. Was diese Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit bereits vollbracht hat, hätten ihr nur die Wenigsten zugetraut. Auf die Rückrunde kehrt mit Janis Stalder ein defensiver Stabilisator zurück. Die vielen jungen Spieler haben nun ein erstes Mal 2. Liga-Luft schnuppern können und werden in ihrer Entwicklung weitere Fortschritte erzielen.
Primär wird es darum gehen, trotz der durchzogenen Ergebnisse dieses Herbstes das Selbstvertrauen und besonders die Freude am Fussball nicht zu verlieren. Die gute Stimmung innerhalb des Teams ist seit Jahren eine der ganz grossen Stärken dieser Mannschaft. Und was ein intaktes Mannschaftsgefüge alles bewirken kann, zeigt sich aktuell wohl am besten am derzeitigen Höhenflug des SC Freiburgs.
«Die Akzeptanz und die Demut dem Anderen gegenüber, (...) ist die Basis von allem für uns.» (Christian Streich, Trainer SC Freiburg)
Ohne Unterbruch hat die 1. Mannschaft seit der letzten Vorrundenpartie weiter eine Trainingseinheit pro Woche in der Halle absolviert. Die Vorbereitung auf die Rückrunde hat also bereits begonnen. Nach einer kurzen Pause über Weihnachten geht es am 7. Januar 2020 so richtig los. Bis zum Rückrundenstart am 28. März 2020 wird die Mannschaft zwischen drei bis vier Einheiten pro Woche absolvieren. Das Highlight des abwechslungsreichen Vorbereitungsprogramms bildet traditionell das 5-tägige Trainingslager in Freiburg im Breisgau. Nimmt man sich den sympathischen Bundesligaverein zum Vorbild, der Jahr für Jahr aus den bescheidenen Möglichkeiten viel erreicht, so steht auch dem FC Langnau nichts im Weg, eine erfolgreiche Rückrunde zu spielen.
«Merci viu mau!»
An dieser Stelle sei allen, die in irgendeiner Form die 1. Mannschaft während dem «Abenteuer 2. Liga» begleitet und unterstützt haben, herzlich gedankt. Die Mannschaft wird in der Rückrunde alles unternehmen, um den Klassenerhalt zu schaffen und das Abenteuer in der «regionalen Königsklasse» zu verlängern.
Erstmal wünschen wir frohe Festtage und einen guten Start ins Neue Jahr! Wir hören uns wieder...