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«Grüssgott liebe Sportfreunde, hier

spricht Jean Pierre Gerwig aus dem

Sankt-Jakobs-Stadion in Basel. Ich

begrüsse sie zum heutigen Fussball-

meisterschaftsspiel zwischen dem

Fussballclub Basel und den Berner

Young Boys!»

So tönt es in den fünfziger Jahren auf

Radio Beromünster am Sonntagnachmit-

tag aus unserem grossen Radio mit dem

Holzgehäuse und dem gfürchig grün

leuchtenden Auge oben rechts im bei-

gen Stoff. Und wenn der Gerwig spricht,

vor allem wenn er aus Begeisterung laut

und lauter wird, dann zittert, nein, bebt

dieser Stoff über dem Lautsprecher.

Draussen schifft es in Strömen, aber das

passt mir und meinem Bruder Ueli sehr,

so bleibt die Familie Heiniger zu Hause

und wir müssen weder auf eine Bergtour,

noch hinten im Citroen zu den Verwand-

ten ins Oberland fahren.

Nein, wir Heiniger-Buben hocken mit

dem Vater in der Stube vor dem Ra-

dio und hören uns dieses Fussballspiel

an. Der Üelu und ich sitzen am Stuben-

tisch, der Vater, der schlecht hört,

steckt seinen Kopf, wie er es auch

bei den Mittagsnachrichten und

beim Echo der Zeit macht, fast

in den Radio hinein und presst

sein rechtes Ohr vor den

Lautsprecher. Das ganze

Spiel wird live übertragen.

90 Minuten lang fiebern

wir Buben mit, der Üelu

für YB und seinen Stürmerstar, den Ca-

sali, ich für den FC Basel und mein Idol,

den Seppe Hügi.

Aus meiner Zeit im neuen Kindergarten

an der Mooseggstrasse weiss ich nur

noch, wie schlimm für mich jene Nach-

mittage waren, wo ich drinnen irgend-

etwas basteln sollte und aber dabei

ständig durchs Fenster meinen Freunden

nebenan auf dem Spielplatz zusehen

musste, die frei hatten und schutten

konnten. Lieber Heiland, ich gehöre doch

auch dazu, betete ich voller Zorn und mit

Tränen in den Augen. Endlich waren die-

se zwei Stunden blödes Basteln vorbei

und ich rannte, was gisch was hesch-

und ohne der Kindergartentante die

Hand zu geben- hinaus auf den Platz und

stürmte mit. Die Tafel am Spielfeldrand,

wo in Grossbuchstaben FUSSBALLSPIE-

LEN VERBOTEN stand, störte uns nicht,

hie und da rissen wir sie aus und warfen

sie dem Abplanalp, der ständig der Poli-

zei anläutete, in den Garten. Und wenn

wir den dicken Dorfpolizisten auf seinem

Militärvelo kommen sahen, machte es

«Wusch!»

-und der Spielplatz war leer.

Während der Schulzeit war im Sommer

für mich, neben Frau Gurtners Badi, die

Zeughausmatte der wichtigste Ort im

Dorf. Hier sah ich am Sonntag die Spie-

le des FC Langnau, bewunderte den

Murertedu beim Abstoss, den langen

Coiffeur Hirschi im Tor, den kleinen,

schnellen Baumgartnerösu im Mittel-

feld, und vor allem den Äbischüll vorne

im Sturm. Auch wenn Langnau kurz vor

VON TINU HEINIGER

K I C K- O F F

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